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2. Vintage Computer Festival Europa 2001
von Jörg Linder
Auch in diesem Jahr fand in München das Vintage Computer Festival Europe, kurz VCFE,
nur eine Woche nach dem KC-Clubtreffen statt. In den Hallen des ESV München-Ost hat sich
am Wochenende 28./29. April 2001 wieder alles zusammengefunden, was im Bereich alter Computer
Rang und Namen hat.
Natürlich lasse ich es mir als KC-Clubmitglied nicht nehmen, mit der Ecke der
"Ostrechner" zu beginnen. Enrico Grämers KC-compact war leider nur am Samstag
zu bewundern, da Enrico am Sonntag anderweitige Verpflichtungen hatte. Doch umso mehr konnte
sich Frank Dachselt ausbreiten. Neben seiner kompletten KC 85/4-Anlage hatte er auch den KC 87
von Reinhard Gitter dabei. Mehrfach hatte ich die Ehre, mit dem originalen
Präsentationsprogramm von robotron zu interagieren. (Was sich allerdings auf das
gelegentliche Drücken der Enter-Taste beschränkte.)
Außerdem hatte Frank zusammen mit seinem Arbeitskollegen ein paar exotische Vertreter
der DDR-Computer ausgestellt: Neben dem bekannten Einplatinenmodell LC 80 war dies der kaum
verbreitete Poly 880 sowie der qpc-1. Dieser "Quantity Process Computer" dient der
Berechnung elektrischer Größen. Beispielsweise läßt sich der Widerstand
durch Eingabe von Strom und Spannung ermitteln. Allerdings muß man darauf achten,
daß das Gerät mit umgekehrter polnischer Notation arbeitet!
Mit seinen beiden Computern AC1 (Amateurcomputer 1 der Zeitschrift "Funkamateur")
und JU + TE (Computer der Zeitschrift "Jugend und Technik") zeigte Thomas Falk
Selbstbau-Computer der DDR-Ära. Während der AC1 wohl verhältnismäßig
viele Bastler in seinen Bann zog, von dem es sicherlich noch einige "lebende"
Exemplare gibt, könnte der ausgestellte JU + TE Computer möglicherweise der
letzte seiner Art sein.
Gleich daneben präsentierte Julian Stacey seine Half-a-VAX. Dieser Computer, der
eigentlich The 375 heißt und von der Firma Symmetric hergestellt wurde, ist mit einer
NSC 32016 CPU mit ca. 8 MHz ausgestattet. Den Beinamen erhielt das Gerät, weil sich der
Entwickler einen Computer wünschte, der zumindest die halbe Leistung einer VAX hätte.
Damit kämen wir auch gleich zu den "VAXbusters International". Diese Gruppe
junger, dynamischer Menschen hatte wie im Vorjahr einiges an Technik aufgefahren. Ein DECserver
300 mußte für diverse VAXstations herhalten; die ganz großen Kisten blieben in
diesem Jahr allerdings zu Hause. (Angesichts des gut gefüllten Ausstellungsraums sicherlich
keine schlechte Entscheidung.)
Herr Schünemann brachte ebenfalls Technik von DEC mit. Diese war jedoch schon etwas
betagter und trug einen ganz berühmte Namen, nämlich PDP 8! Gleich drei Vertreter
dieser Gattung waren zu besichtigen: PDP 8/L, PDP 8/S und PDP 8/A. Als Ein-/Ausgabegerät
für die erstgenannte PDP 8/L war ein genauso altes Teletype Terminal mit Lochstreifen
(110 Baud) in Aktion zu bewundern. Eine danebenstehende DECmate II konnte gegen so eine starke
Konkurrenz natürlich kaum das Interesse auf sich ziehen.
Ähnlich erging es dem IMSAI 8080 von Hans Franke, der nicht nur
größenmäßig von seiner IBM 4331 überragt wurde. Arno Kletzander
hatte dieses Ungetüm vor der Verschrottung gerettet und in der Nacht vom Samstag zum
Sonntag aus den Einzelteilen wieder zusammengebaut.
Zweifellos war die Inbetriebnahme -- oder zumindest der Versuch -- ein Höhepunkt
dieses Festivals.
Weiter im Rundgang stieß ich auf bekannte Gesichter. Matthias Schmitt stellte neben
einem digital Rainbow (PC100) und einem digital VT180 auch den Canola 164P aus. Philip Belben
war wiederum aus dem vereinigten Königreich angereist und zeigte unter dem Motto
"Portable Computing" zahlreiche Geräte: eine mechanische Rechenmaschine,
einen Philips P2000C, einen IBM Portable Personal Computer, einen Compaq Portable III, einen
Toshiba T5200/100, einen Victor V86P, einen TRS-80 und einen Osborne. Daß
"portabel" nicht unbedingt mit "leichtgewichtig" einhergeht, wird beim
Anblick dieser Geräte klar. Dagegen kann man heutige Notebooks bestenfalls als
"Klappstullen" bezeichnen.
Fast schon unauffällig könnte man die diesjährige Ausstellung von John
Zabolitzky nennen. Gemessen an seinem riesigen MUNIAC im Vorjahr nahmen sich sein
4-Bit-Zähler in Relaislogik und die SUN Sparcstation 1 geradezu bescheiden aus.
Auf einer weiteren Tafel zeigte John die Entwicklung von Logik-Modulen in der Zeit von
1955 bis 1995. Überwiegend war er allerdings mit den Besichtigungstouren beschäftigt,
die zu seiner CDC Cyber 960 und seiner Cray YMP-EL sowie weiteren Schätzen führten.
Leider war es mir nicht vergönnt, an einer Tour teilzunehmen, aber vielleicht habe ich ja
bei einem der nächsten VCFE die Gelegenheit, eine echte Cray zu streicheln.
Andreas Böhm stellte einen umgebauten Atari ST1040 aus. Gleich daneben hatte
Stephan Sommer seine 8-Bit-Technik von Amstrad aufgebaut. Neben einem CPC 6128 und einem
CPC 464 durfte eine Joyce selbstverständlich nicht fehlen.
Als guter alter CP/M-Computer reihte sich hier der Altos 580 von Helmut Jungkunz geradezu
nahtlos ein. Schließlich hatte er in seinen besten Tagen reichlich mit CPC-Kollegen zu
tun. Auf diesem Gerät lief nämlich die Z-System basierte Mailbox, die etlichen Usern
noch als ZNODE 51 in Erinnerung sein dürfte. Nach dem Umzug der Mailbox auf einen
anderen Computer landete der Altos bei Uli Staimer, der ihn aber bis dato kaum angerührt
hatte. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß die originale ZNODE in all ihrer Pracht
und Herrlichkeit auf dem VCFE bewundert werden konnte.
Wie nicht anders zu erwarten, durfte Helmuts CPU280 nebst einigen Videos und CDs von
wichtigen 8-Bit-Events nicht fehlen. Und wie nicht anders zu erwarten, durfte auch Gaby Chaudry
nebst einer eigenen Ausstellung nicht fehlen.
Diesmal hatte Gaby ausschließlich Geräte eines Herstellers mitgebracht.
Scheinbar zufällig waren der HP 46, der HP 85B, der HP 2647A und der HP 9020
(9000 Series 520) der Größe bzw. dem Gewicht nach aufgereiht. Während man
die beiden erstgenannten vielleicht als zu groß geratene Tischrechner registrierte,
konnte kaum jemand der Verlockung widerstehen, wenigstens bei einem der wuchtigen Kolosse
von Hewlett-Packard eine Taste zu drücken. Dies ist vor allem den Grafikfähigkeiten
dieser Geräte zuzuschreiben. Aber auch die umfangreichen Dokumentationen, die Gaby
mitgebracht hatte, luden zum Schmökern ein.
Mit dem SC/MP Development System und dem Intel SDK-85 von Hans Franke schloß sich
schon fast der äußere Kreis. Ein Highlight fehlt aber noch: das BiTELEX von
Bernhard Riedel. Dieses deutsch/arabische Terminal ist bemerkenswert. Mit Hilfe von zwei
Videoeinheiten ist die gleichzeitige Darstellung lateinischer und arabischer Schriftzeichen
auf dem Bildschirm möglich. Während man eine Nachricht verfaßt, kann jederzeit
der Modus gewechselt werden. Dabei ändert sich beim Wechsel zu arabischen Schriftzeichen
auch gleichzeitig die Schreibrichtung (von rechts nach links) und es werden automatisch
Ligaturen gebildet. Das heißt, benachbarte Zeichen werden zu einem Schriftzug
zusammengefaßt. Leider hat Bernhard keine Unterlagen zu dem Gerät, aber er
hat bereits herausgefunden, daß ein modifiziertes CP/M als Betriebssystem dient.
Zahlreiche Homecomputer beanspruchten die innere Tischreihe; angefangen bei Michele Perini,
der aus Italien angereist war und einen Olivetti M20 ST sowie zwei Alcatel ADF 258 ausstellte.
Bernd Sedlmaier zeigte außer einem EPSON PX-8 die gesamte Palette der Atari Homecomputer:
400, 800, 600XL, 800XL, XE, 65XE. Nahtlos ging es mit einer ebenso vollständigen Reihe
von Acorn weiter. Herbert Krammers Ausstellung beherbergte einen Acorn electron, einen
Acorn BBC Master compact, einen Acorn BBC model B mit 6502 Zweitprozessor (sog. Tube) und
einen Acorn BBC Master 128. Diese Geräte wurden seinerzeit speziell für den
Bildungsbereich entwickelt. Darüber hinaus hatte Herbert aber auch einen Acorn
RiscPC 600 sowie einen Archimedes 310 und einen Archimedes 420/1 mitgebracht.
Nebenan waren die Commodore-Fans aktiv, doch wie sich herausstellte, gehörte der
VC-20 ebenfalls Herbert Krammer. Aber nun zur besagten Ecke mit dem allseits bekannten C=.
Robert Sterff hatte nicht nur seinen C-64, sondern auch seinen Atari 130XE mitgebracht.
Letztgenannter fristete -- wie damals im wahren Leben -- nur ein Schattendasein.
Als ungekrönter König im 10.000 m Lauf hatte Robert nämlich alle dazu
aufgefordert, gegen ihn in dieser Joystick-Killer-Disziplin anzutreten. Also saßen
am Sonntag stets zwei Leute vor Roberts C-64, die sich wie wild gebärdeten und fuchtelten,
umringt von anderen, die das Geschehen am Bildschirm verfolgten und entsprechende Laute
ausstießen. Letzten Endes mußten sich jedoch alle geschlagen geben und Robert
blieb der ungekrönte König.
Heiko Irrgang hatte den Nachfolger des C-64, seinen C-128, gleich daneben plaziert.
Arndt Oevermann konnte mit den großen Geschwistern auftrumpfen: Ein C-64 SX und ein
C-128 D mit Festplatte zierten seinen Platz. Außerdem hatte er einen Philips MSX 2 dabei.
Womit dann auch die Ausstellung komplett wäre.
Doch wie gehabt, war die Ausstellung längst nicht alles. Zahlreiche Besucher nutzten
die bereits erwähnten Besichtigungstouren, um einmal einer Cray gegenüber zu
stehen. Außerdem boten eine Reihe von Vorträgen ein reichhaltiges Programm für
den interessierten Zuhörer.
Schon aufgrund meines Eintreffens am Samstagnachmittag sind mir einige Vorträge
"durch die Lappen gegangen". So beispielsweise Helmuts Bestandsaufnahme zum
Thema Z-System. Er hat mir die mehr als 200 Slides umfassende PowerPoint-Präsentation
gezeigt. Erstaunt mußte ich feststellen, daß ich zwar irgendwie alles kannte,
im Laufe der Zeit aber das eine oder andere Z-Tool in Vergessenheit geraten ist.
Ähnlich ging es wohl auch den "alten Hasen" unter den Zuhörern, denn
nicht nur die Neueinsteiger folgten dem fast eineinhalbstündigen Vortrag sehr aufmerksam,
versicherte mir Helmut.
Der ungeteilten Aufmerksamkeit konnte sich auch Ray M. Holt gewiß sein. Er berichtete
von einem Projekt, an dem er einst mitgewirkt hatte: Entwicklung und Produktion einer CPU,
lange bevor Intels 4040 das Licht der Welt erblickte. Unter der URL
<http://www.microcomputerhistory.com>
sind die vollständigen Informationen nachzulesen, von denen ich im folgenden nur
einen Bruchteil wiedergeben möchte.
Ray wurde während seines Studiums unter anderem mit dem damals völlig neuen
Wissensgebiet "logic design" konfrontiert. Allein das dabei erlangte Wissen war
ausreichende Qualifikation, um von seinem damaligen Arbeitgeber engagiert zu werden,
der seinerseits von der Air Force mit der Entwicklung eines Rechensystems für den
F14 "TomCat" Kampfjets beauftragt worden war.
Die Arbeiten für das Projekt begannen im Juni 1968 und waren zwei Jahre später
abgeschlossen. Am 21. Dezember 1970 startete erstmalig ein F14-Jet.
Hält man sich den technischen Entwicklungsstand zu Projektbeginn vor Augen, dann sind
die erbrachten Leistungen umso bemerkenswerter. 1968 gab es noch keinen Prozessor, das Wort
"Computer" war noch nicht einmal erfunden, lediglich die ersten Logikschaltkreise
mit simplen Gattern begannen ihren Siegeszug.
Das Entwicklerteam sah sich vor eine schwere Aufgabe gestellt. Aus nur sehr wenigen per
Sensorik ermittelten Daten mußten neben Flugdaten für andere Systeme vor allem
Steuerungs- und Anzeigedaten für den Piloten berechnet werden. Was zunächst recht
einfach klingt, ist in der Realität umso schwieriger. Unter Beachtung physikalischer
Gesetze (und Grenzen!) sollten komplizierte mathematische Formeln zur Berechnung der Flugbahn
in möglichst kurzer Zeit umgesetzt werden.
Bereits nach kurzer Zeit war die Entscheidung für eine völlig neue Technologie
namens "LSI" gefallen. Es war klar, daß nur dieses hohe Maß an Integration
(large scale of integration) die Anforderungen erfüllen konnte. Dieses hohe Maß an
Integration bedeutete zu damaliger Zeit übrigens 100 bis 200 Transistoren pro Chip.
Trotzdem bestand natürlich die Gefahr, daß man mit dieser sehr jungen Technologie
auf das falsche Pferd gesetzt hatte, zumal eine Arbeitstemperatur von -55 °C bis +125
°C zu gewährleisten war.
Ray hatte sowohl die originalen Schaltkreise als auch vergrößerte Kopien der
Layouts mitgebracht, auf denen man beispielsweise die 20 Bit des A/D-Wandlers sehr gut erkennen
konnte. Das Computersystem -- es war halt nicht nur bei der CPU geblieben -- arbeitete mit
19 Bits und einem Vorzeichen-Bit. Die CPU war mit 375 kHz getaktet und aufgrund der seriellen
Übertragung zwischen den Flugzeugsystemen waren einige programmiertechnische Tricks
notwendig, um innerhalb der zeitlichen Limits zu bleiben.
Wie bei jedem größeren Projekt, gab es aber auch einen herben Rückschlag.
Eine Woche vor der Demonstration ist der Prototyp des Computersystems im wahrsten Sinne des
Wortes abgeraucht. Nächtelange Arbeit war von einer Sekunde auf die nächste dahin.
Letztendlich ist aber doch alles gut gegangen. Sämtliche Anforderungen wurden erfüllt
oder übererfüllt und dem Jungfernflug stand nichts mehr im Wege.
Nachdem bereits etliche Jahre vergangen waren, bemühte sich Ray um die Rechte zur
Veröffentlichung. Doch obwohl die technische Entwicklung erheblich fortgeschritten war,
wurden die Informationen zu diesem Projekt noch immer als Militärgeheimnis betrachtet.
Ray blieb aber hartnäckig und fragte im Abstand von ein paar Jahren immer wieder nach,
bis er 1998 endlich die Genehmigung zur Veröffentlichung erhielt. Seitdem räumt er
mit dem Irrtum auf, Intel habe die erste CPU entwickelt...
Den Abschluß des VCFE bildete die Bekanntgabe der "offiziellen Zahlen" und
die Vergabe des Besucherpreises. Demnach drängten sich 180 zahlende Besucher durch die
Halle, die bereits von 30 Ausstellern (inoffiziell wohl eher 40) gut gefüllt war. Mit
13 Stimmen errang die PDP 8 Ausstellung von Herrn Schünemann den ersten Platz und damit
den Besucherpreis.
Getreu dem Motto "Nach dem Festival ist vor dem Festival." gibt es auch schon
Pläne für das nächste Jahr. Am besten, Ihr schaut es Euch selbst an!
Einige Bilder vom VCFe 2.0
Bericht vom VCFe 1.0